Was bietet die SPD in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Bundestagswahl am 26. September 2021 an?
SPD
Aus dem Programm der SPD zur Bundestagswahl, Teil IV. Souveränes Europa in der Welt
Die SPD möchte zum einen die inneren Handlungsblockaden der EU abbauen und die äußere Handlungsautonomie fortentwicklen. Europa soll grundlegend gestärkt werden, damit in einer multipolaren Welt die Eigenständigleit und die Art zu leben auch in Zukunft bewahrt werden kann. Ein solches Europa kann seinen Einfluss gleichermaßen zum Schutz und zur Stärkung europäischer Werte und Interessen einbringen, als selbstbewusste Friedensmacht auftreten und so eine kooperative, multilaterale Weltordnung mitgestalten.
Grundsätzlich ist dieser Teil aus dem Wahlprogramm zu begrüßen, aber hier ist die SPD Antworten schuldig, wie dieses umgesetzt werden soll. Glaubt man wirklich mit einem gespaltenem Europa (Mitgliedsstaaten im Westen und Osten), könnte man die multilaterale Weltordnung mitgestalten? Hierzu müsste erst einmal eine gemeinsame europäische Strategie im Umgang mit China und Russland entwickelt werden, allerdings ist diese auch in nächster Zeit nicht zu erkennen. China und Russland nehmen Europa schon langen nicht mehr als Partner auf Augenhöhe wahr. Vor allem China ist in Europa ein großer Spaltpilz. Kurzum Europa ist aktuell um die Weltordnung mitzugestalten zu uneinig und dadurch zu schwach!
Mit unserer Politik in Europa wie in der Welt machen wir uns für eine Umsetzung der Agenda 2030 der vereinten Nationen stark, in der sich die Völker der Welt zu einer gemeinsamen nachhaltigen Zukunft in Frieden, Freiheit und gesellschaftlichem Zusammenhalt verpflichtet haben.
Ein Europa, das geschlossen auftritt, trägt zur Belebung eines funktionierendes und kooperatitven Multilateralismus bei. Wir sind auf internationale Vertrauensnetzwerke angewiesen, so wie die Allianz für Multilateralismus, die bereits wichtige Impulse für die Zusammenarbeit gesetzt hat.
Wir gehen dabei auf die neue US-Regierung zu, die sich wieder verstärkt in der internationalen Zusammenarbeit einbringt. Wir brauchen nicht weniger als einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen. Wir werden die Partnerschaft zwischen Europa und den USA, die auf gemeinsamen und demokratischen Werten beruht, grundsätzlich stärken und die Zusammenarbeit bei Themen wie Klimaschutz, globaler Gesundheitspolitik, Handel, Abrüstung und Sicherheitsfragen intensivieren.
Wie naiv ist die SPD eigentlich an diesem Punkt? Glauben wir im Hinblick der problematischen Weltlage, wie im asiatischen Raum, Russland und Syrien, dass man mit den USA aktuell über Abrüstung reden kann? Die USA wird Ihren Blick verstärkt nach Asien richten und von uns weiterhin verlangen, von Deutschland und allen europäischen NATO-Partnern, endlich mehr für die eigene Verteidigung zu tun!
Die NATO ist und bleibt ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und für Europas Sicherheit unverzichtbar. Paralell dazu muss die EU sicherheits- und verteidigungspolitisch werden. Die europäische Zusammenarbeit werden wir ausbauen. Unser Ziel bleibt eine europäische Armee als Teil der Friedensmacht Europa. Durch die Bündelung europäischer Rüstungskooperation nutzen wir Synergien und sparen unnötige Mehrausgaben ein.
Bevor überhaupt an eine europäische Armee gedacht wird, sollte man erst einmal seine eigenen Streitkräfte vernünftig ausstatten und sich gedanken machen woher überhaupt das Personal für eine europäische Armee rekrutiert werden soll, ohne die Bundeswehr weiter zu schwächen. Siehe dazu Einwurf zum Diskussionspapier der SPD zur 28. Armee für die Europäische Union.
Souverän muss Europa neue Rüstungskontroll- und Abrüstungsinitiativen für den europäischen Kontinent entwickeln, um frühzeitig auf die Risiken neuer Technologien und gefährliche Entwicklungen im Cyberbereich oder im Weltraum reagieren zu können. Aber dies darf nicht bedeuten, dass die teilweise aggressive Handlungen von Russland auf der Krim oder in der Ostukraine mit NATO Manövern nahe der ukrainischen Grenze verglichen werden. Die NATO muss Manöver durchführen können, dies dient der Sicherheit der polnischen Grenze zur Ukraine. Es mag auch sein, dass seit Willy Brand Ostpolitik auf Wandel durch Annäherung und Handel setzt, aber die aktuelle Lage lässt solche Politik gerade nicht zu, durch die aggressive Politik Russlands, die Einmischung in souveräner Staaten wie die Ukraine oder Tschechien (Sprengung eines Munitionslagers), Cyberangriffe und Beeinflussung von Wahlen in Deutschland und andern Ländern und Einflussnahme auf politische Parteien wie die AfD, lassen eine solche Ostpolitik nicht zu, zumal diese Ostpolitik nicht mehr vergleichbar sein kann mit der Ostpolitik zu Zeiten des kalten Krieges. Heute beginnt die Ostpolitik ab der ukrainischen Grenze!
Wenn die SPD meint das man Nord-Stream 2 für den Zweck der Annäherung und für den Handel gegenüber Russland nutzen kann, dann ist sie hier gewaltig auf dem Holzweg! Und wenn sie meint, zur Ostpolitik gehört klare Kante bei den Fragen der Menschenrechte, da dies heute in der Politik fehle, dann muss man sich fragen, was die SPD in den Jahren der Regierungsverantwortung den gemacht hat, denn immerhin begleitet sie das wichtige Außenministerium!
Fakten zu Nord-Straem 2
Die Ostsee-Pipeline beginnt im russischen Wyborg und erreicht Deutschland in Lubmin bei Greifswald. Sie hat eine Länge von 1224 Kilometern und verbindet die Gasfelder Juschno-Russkoje und Stockmann in der Barentssee mit dem Absatzmarkt in Deutschland. Die Pipeline verläuft – abgesehen von Anfangs- und Endpunkt – ausschließlich durch Seegebiete, die keinem Hoheitsgebiet eines Anrainerstaates zugeordnet sind. Die durchquerten Seegebiete liegen jedoch in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen Schwedens, Finnlands und Dänemarks. Aufgrund der deshalb notwendigen Genehmigungsverfahren konnten diese Länder Einfluss auf den Bau der Pipeline nehmen.
Die Planungen zum Bau der Ostsee-Pipeline wurden anfangs von der EU unterstützt und das Projekt erhielt bereits im Jahr 2000 eine prioritäre Stellung im Programm Transeuropäische Netze. Die Haltung gegenüber dem Projekt änderte sich jedoch teilweise, als Russland Ende 2005 der Ukraine wegen nicht beglichener Rechnungen Gaslieferungen sperrte. Dadurch kam es kurzfristig auch zu Lieferausfällen in die EU. In den von russischen Erdgaslieferungen besonders abhängigen mittel- und nordosteuropäischen EU-Mitgliedstaaten nahm nach diesen Ereignissen die Skepsis gegenüber der geplanten Ostsee-Pipeline zu. Auf EU-Ebene beschleunigten die Vorkommnisse Überlegungen, eine eigene Energieaußenpolitik zu entwickeln und künftig Energiequellen, Lieferanten und Transportwege stärker zu diversifizieren. In diesem Zusammenhang wurde beschlossen, den Bau einer anderen Gaspipeline unter Umgehung von Russland vom Schwarzen Meer nach Österreich (Nabucco-Pipeline) zu unterstützen.
Das Projekt sah auch die Möglichkeit vor, Abzweigungen nach Polen und Lettland zu bauen, diese werden von beiden Ländern bislang jedoch strikt abgelehnt. Über die in Lubmin abzweigende Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung (OPAL) wird Tschechien angebunden, über die Nordeuropäische Erdgasleitung (NEL) und die in Planung befindliche NORDAL-Pipeline ist ein Anschluss an das deutsche Gasnetz vorgesehen.
Übersicht aller bestehender Pipelines die Erdgas aus Russland in die EU transportieren.
Nach der Unterzeichnung gab es heftige Proteste von Seiten mehrerer mittel- und osteuropäischer EU-Staaten wie Polen, Litauen, Lettland und Estland, die Russland Bemühungen zur Spaltung der Europäischen Union und Deutschland die Nichtbeachtung ihrer Interessen vorwarfen. Der polnische Verteidigungsminister Radosław Sikorski verglich 2006 den deutsch-russischen Vertrag sogar mit dem Hitler-Stalin-Pakt. Politikwissenschaftliche Forschungsarbeiten, die die geopolitischen Wirkungen der Pipeline untersuchen, bestätigen regelmäßig die Annahme einer negativen Wirkung auf die Position osteuropäischer EU-Mitgliedsstaaten wie Polen sowie die der Ukraine. Die gemeinsamen Interessen im Streit um die Pipeline sorgten für eine Annäherung zwischen Polen und Litauen. Ein wichtiger wirtschaftlicher Grund für den Widerstand Polens liegt darin, dass die Ostseepipeline mit bestehenden Landpipelines konkurriert und für Polen damit Einnahmen aus Transitgebühren wegfielen. Die polnische Regierung plant u. a. zur Stärkung der Sicherheit der eigenen Energieversorgung den gemeinsamen Bau und Betrieb einiger Kernkraftwerke im Nordwesten Polens und in Litauen.
Auch in Schweden war ab Juli 2006 aufkeimende Kritik festzustellen. Energiepolitisch wurde die Pipeline als „falscher Schritt“ bezeichnet, zusätzlich wurde aber auch auf ökologische und Sicherheitsrisiken der Pipeline hingewiesen, wie sie beispielsweise durch eine verstärkte russische Flottenpräsenz in der Ostsee oder aus Spionagetätigkeiten unter Nutzung der Pipelineinfrastruktur entstehen. Unter anderem rief der ehemalige schwedische Botschafter und sicherheitspolitische Experte Krister Wahlbäck die Regierung auf, schwedische Interessen nicht länger zurückzuhalten und bei der deutschen und russischen Regierung ihre Bedenken wegen der ökologischen Risiken für die Ostsee vorzubringen. Auf Gotland und in der umliegenden Region verbringen hunderttausende Schweden ihren Urlaub. Deshalb war schwedischen Politikern auch eine geplante Wartungsplattform von 70 Metern Höhe östlich von Fårö ein Dorn im Auge. Die Nord Stream AG verzichtete aufgrund des Widerstandes schließlich auf die Plattform; sie will die Pipeline stattdessen mit Sonden und Robotern warten. Auf die Sicherheitsgefahren hatte auch der ehemalige schwedische Verteidigungsminister Mikael Odenberg hingewiesen; er vermutete, Moskau werde die Pipeline und deren angekündigten Schutz durch die Kriegsflotte für Militär- und Industriespionage missbrauchen.
Unterstützung bekamen die schwedischen Kritiker im September 2008 von den USA. Der US-Botschafter in Schweden, Michael M. Wood, forderte in einem ganzseitigen Artikel in der Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ die Regierung in Stockholm auf, den Bau der Pipeline zu verhindern. Die Krise im Kaukasus zeige, dass sich Europa und die USA nicht von dem unzuverlässigen Energielieferanten Russland abhängig machen dürften, heißt es in dem Artikel unter der Überschrift „Sagt Nein zu Russlands unsicherer Energie“. Die deutsche Regierung mochte die vorgetragene Absicht des US-Botschafters, Europa vor unsicherem russischen Erdgas bewahren zu wollen, nicht nachvollziehen und protestierte bei der US-Botschaft in Berlin gegen die Einmischung.
2007 drohte Gazprom den Europäern mit Gasentzug, falls die EU die Expansion des russischen Konzerns auf dem europäischen Markt einschränkt und Gazprom nicht gestattet, direkt als Versorger tätig zu werden statt europäische Konzerne zu beliefern. Angesichts dessen ist die EU primär an der Energieversorgungssicherheit und der Vermeidung der Energiemarktmonopolisierung interessiert. Dazu bemüht sich die EU die Erdgasversorgung auf andere Herkunftsregionen, insbesondere den Nahen Osten, Nordafrika und Zentralasien, auszuweiten. Die Planungen für die Nabucco-Pipeline zum Kaspischen Meer unter Umgehung Russlands wurden 2013 eingestellt.
Interessensgegensätze in der EU
Deutschland
Die Pipeline Nord Stream 2 ist politisch umstritten. Die deutsche Bundesregierung (Merkel III) vertrat lange Zeit die Ansicht, dass der Bau von Nord Stream 2 kein politisches, sondern ein ökonomisches Projekt darstelle. Im April 2018 sagte Merkel jedoch, dass Nord Stream 2 kein bloß ökonomisches Projekt sei, sondern „natürlich auch politische Faktoren zu berücksichtigen sind“.
Führende Abgeordnete der CDU/CSU, der Grünen und der FDP kritisierten 2018, dass die Pipeline die Europäische Union politisch spalte und die deutsche Solidarität mit Polen, den baltischen Staaten, der Slowakei und der Ukraine, sowie mit Dänemark und Schweden untergrabe, weil diese Länder das Bauvorhaben aus sicherheitspolitischen Gründen ablehnen. Nach dem Giftanschlag auf Alexei Nawalny im August 2020 wurde die Pipeline in Deutschland wieder verstärkt Gegenstand politischer und öffentlicher Debatten. Im September 2020 sprachen sich die Grünen im Bundestag dafür aus, dass die Bundesregierung der Pipeline die politische Unterstützung entziehen sollte. Die Alternative für Deutschland, die Linkspartei sowie die Regierungschefs der Ost-Bundesländer forderten hingegen die Fertigstellung von Nord Stream 2.
Die Bundesregierung lehnt einen Baustopp ab und beruft sich dabei auf Prognosen der Nord Stream 2 AG aus dem Jahr 2016, denen zufolge Europa einen Mehrbedarf an Erdgas von mindestens 100 Milliarden Kubikmeter pro Jahr haben werde. Aus einem Schriftwechsel zwischen Oliver Krischer und dem Wirtschaftsministerium im September 2020 geht hervor, dass Deutschland sich die Zahlen der Gazprom-Tochter aus dem Jahr 2016 ungeprüft zu eigen gemacht hat. Der Bundesregierung liegen keine eigenen Berechnungen oder Ergebnissynthesen vor. An den Prognosen der Nord Stream 2 AG gibt es Zweifel. Der Parlamentarische Wirtschafts-Staatssekretär Marco Wanderwitz (CDU) antwortete, der „Planung der Nord Stream 2 AG für den Bau der Pipeline liegt ein Mehrbedarf an Erdgas in Europa von mindestens 100 Milliarden Kubikmeter [pro Jahr] zugrunde“, die Zahl von 100 Milliarden Kubikmetern basiert jedoch allein auf Angaben der Nord Stream AG. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezeichnete die Pipeline als überflüssig, weil der Gasbedarf rückläufig sei und künftig wegen der Klimaschutzmaßnahmen noch weiter sinken werde.
Europäische Union
Die EU leitete mehrere energiepolitische Maßnahmen ein, die das Vorantreiben des Projekts erheblich erschwert haben. Im April 2019 verabschiedete das EU-Parlament überarbeitete Energieregeln, die auch für Pipelines gelten, die aus Drittstaaten in die Europäische Union führen. Die überarbeiteten Regeln schreiben eine eigentumsrechtliche Entflechtung und den Zugang für Dritte zu der Pipeline vor. Demnach darf die Produktion von Erdgas und der Betrieb der Leitung nicht in einer Hand liegen. Bisher war bei „Nord Stream 2“ jedoch vorgesehen, dass Gazprom sowohl das Gas einspeist als auch die Leitung betreibt. Außerdem muss ein Betreiber seinen Konkurrenten die Nutzung der Leitung gegen Gebühr erlauben Nord Stream 2 erfüllt diese zwei Anforderungen nicht und Gazprom versucht diese Regeln zu umgehen. Dies geschieht mit Unterstützung der deutschen Regierung, die den Gesetzesentwurf lange blockiert hatte und die über Jahre bemüht war, europäische Auflagen zu verzögern, damit Nord Stream 2 in Betrieb geht, ehe sie in Kraft treten.
Am 13. November 2019 setzte der Deutsche Bundestag diese Richtlinie in deutsches Recht um – allerdings mit einer abgewandelten Formulierung. Die EU-Richtlinie besagt, dass nur die Energieprojekte, die vor dem 23. Mai 2019 fertiggestellt wurden, von der Richtlinie ausgenommen werden können. Da Nord Stream 2 zu dem Zeitpunkt nicht fertig war, fällt die Pipeline nicht darunter. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung wurde dieser Punkt der EU-Richtlinie an eine andere Stelle versetzt und wird nicht mehr als Bedingung für die Ausnahmeregelung aufgezählt. Über Ausnahmen für Leitungen soll die Bundesnetzagentur entscheiden. Die EU-Kommission kommentierte das deutsche Vorgehen nicht. Im Fall eines Rechtsstreits zwischen der Kommission und Deutschland könnten auch andere EU-Mitgliedsstaaten, welche die Pipeline ablehnen, zu Wort kommen.
Auch im Hinblick auf die Frage, ob weitere Sanktionen gegen Russland auch wegen der Annexion der Krim 2014 verhängt werden sollen, spaltet das Projekt die EU. Deutschland bezieht hier die Position, Nord Stream 2 weiter zu verfolgen, dafür aber härtere Sanktionen zu verhängen, während Frankreich für einen „strategischen Reset“ der Beziehungen wirbt. Die Staaten an der EU-Ostgrenze wiederum, Polen und die baltischen Staaten, wollen ein deutlich härteres Vorgehen gegen Russland, sodass die EU hier außenpolitisch gespalten erscheint.
Polen
Der Bau der Nord-Stream-Pipeline ist der größte Streitpunkt zwischen Deutschland und Polen im Bereich Energie und belastet seitdem die Beziehung zwischen beiden Ländern. Polen hat den Bau des ersten Strangs und den Ausbau der Pipeline von Anfang an scharf kritisiert. Das russisch-deutsche Projekt widerspreche der gemeinsamen europäischen Energiepolitik und trage zur Spaltung der Union bei. Anstelle den Lieferanten-Wettbewerb zu fördern und Bezugsquellen zu diversifizieren, stärke Nord Stream 2 die Position Russlands als Energielieferant und verschärfe die Abhängigkeit von Moskau. Das Projekt wurde aus der Sicht Warschaus über polnische Köpfe hinweg beschlossen und werde auf Kosten polnischer Interessen von Deutschland und Russland vorangetrieben.
Polen sieht die Erweiterung der Pipeline als Gefahr für die Sicherheit des Landes. Weil Nord Stream 2 die bestehenden Gasverbindungen über Land überflüssig macht, befürchtet Warschau, dass Polen und andere Transitländer damit Moskau ausgeliefert wären. Russland könne nach Abschluss des Baus von Nord Stream 2 seine Gaslieferungen nach Polen aussetzen, ohne die Lieferungen nach Deutschland und andere westliche Verbraucherländer zu stören. Polen sieht Russland als unzuverlässigen Partner und nannte den Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexei Nawalny als jüngstes Beispiel in einer Reihe von Ereignissen, die Russlands Status als Handelspartner in Frage stellen. Lüder Gerken vermutet hingegen, dass Polen die Pipeline aus rein wirtschaftlichen Gründen ablehnt: Eine Pipeline durch die Ostsee würde zum Verlust von Transitzahlungen für russisches Gas führen, das momentan durch Polen geleitet wird.
Im Oktober 2020 verhängte die polnische Wettbewerbsbehörde UOKiK Bußgelder gegen die Betreiber-Unternehmen in Milliardenhöhe. Der Gazprom-Konzern soll rund 6,5 Milliarden und die Finanzpartner 52 Millionen Euro bezahlen, da sie die Pipeline ohne Genehmigung der Behörde gebaut haben. Gazprom und weitere Projektpartner wiesen die Vorwürfe zurück und kündigten rechtliche Schritte an.
Baltische Staaten
Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind gegen die Nord-Stream-Pipeline und sehen das Projekt als Gefährdung der eigenen Sicherheit.
Laut dem estnischen Außenminister Sven Mikser sei die Pipeline kein wirtschaftliches, sondern ein geopolitisches Projekt. Für Russland sei es „ein Hebel, um in die europäische Politik einzugreifen“ und es sei im Interesse der Europäischen Union, das Projekt zu stoppen. Die Präsidentin Estlands Kersti Kaljulaid warf Deutschland vor, wirtschaftliche Vorteile über Sicherheit zu stellen und die Ziele der EU, nämlich Energiequellen zu diversifizieren, zu untergraben.
Der lettische Premierminister Krišjānis Kariņš sagte nach dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, dass das heutige Russland keine Demokratie ist und eine Gefahr für Europa und für die europäischen Wertevorstellungen darstellt. Vor diesem Hintergrund sei es falsch, an der Pipeline festzuhalten.
Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaitė kritisierte die Rolle des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der als Präsident des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG fungiert. Man könne von einer „Schröderisierung der Energiepolitik in Europa“ sprechen, meinte sie. Russland habe Energie immer als politisches Werkzeug zur Einflussnahme und als Druckmittel genutzt, deshalb bedeute verstärkte Energieabhängigkeit von Russland mehr politische Abhängigkeit, so Grybauskaitė.
Ukraine
Der Journalist Konrad Schuller, Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Polen und die Ukraine, resümierte 2015, Nord Stream 2 sei „aus der Sicht osteuropäischer Regierungen weiter ein Instrument russischer Erpressung. Es soll nach ihrer Lesart vor allem dazu dienen, die ukrainischen Transitleitungen auszutrocknen und damit dem ohnehin von Krieg und Krise geschüttelten Kiewer Haushalt noch einmal 1,8 Milliarden Euro im Jahr abzugraben.“
Arsenij Jazenjuk, Ministerpräsident der Ukraine bis April 2016, sprach von einem anti-ukrainischen Projekt. Der ukrainische Gaskonzern Naftohas reichte eine Beschwerde bei der Europäischen Energiegemeinschaft ein. EU-Energiekommissar Cañete äußerte, Nord Stream 2 könne niemals ein Projekt werden, das im gesamteuropäischen Interesse liege.
Südosteuropa
Südosteuropäische Staaten haben nach massivem deutschem Druck im Zuge der Sanktionen gegen Russland Anfang 2015 auf das Konkurrenz-Projekt South Stream verzichtet. Diese Staaten werfen Deutschland Doppelzüngigkeit vor, wenn Nord Stream 2 trotzdem weiterverfolgt wird.
Schweden
Als Ostsee-Anrainerstaat zählt Schweden ebenfalls zu den Kritikern des Nord-Stream-2-Projekts und sieht dieses allen voran als geopolitisches Vorhaben, das vor allem darauf angelegt ist, die Abhängigkeit der EU von russischen Gasimporten zu erhöhen, was wiederum als politisches Druckmittel von Seiten Russlands gesehen wird. Des Weiteren sieht Schweden die Gefahr, dass der Bau und der Verlauf der Pipeline russische Militärpräsenz in der Ostsee und somit vor der Küste Schwedens nach sich ziehen könnte. Da Schweden keine Möglichkeit sieht, das Projekt auf nationaler Ebene stoppen zu können, bevorzugt die schwedische Regierung die Beendigung des Projekts durch die EU.
Gazprom beabsichtigte zur Lagerung von Röhren für den Ausbau der Pipeline zwei Häfen auf der Insel Gotland und nahe der südschwedischen Küstenstadt Karlshamn zu mieten. Verteidigungsminister Peter Hultqvist und Außenministerin Margot Wallström wiesen die beiden schwedischen Gemeinden auf sicherheitspolitische Risiken hin, die im Zusammenhang mit der Vermietung der Häfen an Gazprom entstünden. Der von Gazprom bei Karlshamn anvisierte Hafen liegt in der Nähe von Stützpunkten der Luftwaffe und Marine in Karlskrona. Auf der strategisch wichtigen Ostseeinsel Gotland hatte Schweden seit Ende des Kalten Krieges keine Truppen mehr stationiert. Seit der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim hat Russland die militärische Aktivität in der Ostsee erhöht. Schweden hat daraufhin damit begonnen, eine permanente Militärpräsenz auf Gotland aufzubauen. Die Gemeinde Gotland entzog Nord Stream 2 die Genehmigung, Röhren in dem Hafen zu lagern.
Dänemark
Dänemark hat vor allem sicherheitspolitische und energiepolitische Bedenken gegen die Pipeline erhoben. Dänemark fürchtet, sich durch Russland erpressbar zu machen und fordert einen starken Einfluss der EU-Kommission. Nicht Deutschland, sondern die EU-Kommission solle mit Russland verhandeln und über die Zukunft des Projekts entscheiden. Unterstützt wird die Pipeline von der Dansk Folkeparti, stößt aber auf Widerstand der Socialdemokraterne und Radikale Venstre.
Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen mahnte im September 2020, dass Europa sich nicht von russischem Gas abhängig machen dürfe. Den Ausbau der Nord-Stream-Pipeline lehnt sie ab. Auch ihr Vorgänger Lars Løkke Rasmussen hat das Projekt und die deutsche Unterstützung dafür äußerst kritisch gesehen. Rasmussen hatte Dänemarks Zustimmung für das Projekt von russischen Zusagen an die Ukraine abhängig gemacht.
Finnland
Finnland steht dem Vorhaben relativ neutral gegenüber. Laut einem Bericht der finnischen Denkfabrik FIIA vom August 2016 sieht diese eine Gefahr darin, dass die Abhängigkeit von russischen Gasimporten für Deutschland aber auch der EU als ganzes zu groß werden und deren Energiepolitik untergraben könnte. Die finnische Regierung würde ein gemeinsames Vorgehen der EU bevorzugen, sieht aber selbst kein nationales Veto gegen das Projekt vor.
Frankreich
2019 stellte sich Paris gegen Deutschland, indem es die neuen Energieregeln des EU-Parlaments unterstützte. Die Regeln sehen die Trennung zwischen Gaslieferant und Pipeline-Betreiber vor. Aufgrund der eigentumsrechtlichen Verflechtung von Gazprom als Lieferant und Betreiber der Pipeline hätte die Umsetzung der EU-Bestimmung das Aus für das Projekt bedeutet.
Im November 2020 sagte der diplomatische Berater von Präsident Emmanuel Macron, dass ein Ziel des Präsidenten sei, Frankreich weniger abhängig von „Russland, Katar und anderen“ zu machen. Im Februar 2021 forderte Frankreich von Deutschland, das Projekt aufzugeben. Frankreichs Europaminister Clément Beaune sagte vor dem Hintergrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste in Russland 2021, dass Proteste und Sanktionen nicht mehr genügten. Stattdessen müssten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, zumal Frankreich „immer die größten Zweifel“ an diesem Projekt gehabt habe.
USA
US-Präsident Trump kritisierte am ersten Tag des NATO-Gipfels im Juli 2018 die Pipeline. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, Unternehmen, die im Geschäft mit russischen Export-Pipelines tätig seien, drohten US-Sanktionen. In den US-amerikanischen Medien wurde dagegen bemerkt, dass Trump seinen Standpunkt gegen Nord Stream 2 im Juli 2018 aufgeweicht habe. Der ehemalige US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, setzte die EU im November 2018 massiv unter Druck. Sollte die umstrittene Ostsee-Pipeline weitergebaut werden, habe Präsident Trump Möglichkeiten, „das Projekt zu stoppen“. „Wir haben noch nicht alle Instrumente eingesetzt, die das Projekt ernsthaft untergraben oder stoppen könnten“, so Sondland am 13. November 2018 in Brüssel. Der Botschafter bestritt, dass hinter der Drohung das Interesse der USA stehe, selbst Flüssiggas in Europa zu verkaufen. Die Abhängigkeit vom russischen Gas für Europa sei nach Ansicht Sondlands geopolitisch falsch. Sondland sagte: „Wir wollen nicht, dass jemandem mitten im Winter das Gas abgedreht wird, wenn eine politische Krise ausbricht.“
Ende November 2018 im Zusammenhang mit der Konfrontation 2018 um die Meerenge von Kertsch erneut erhobene ukrainische und US-amerikanische Forderungen nach einem Stopp des Projekts lehnte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) ab, da der Rückzug der deutschen Unternehmen aus dem Projekt nicht dazu führen würde, dass die Gaspipeline nicht gebaut würde. Sie würde dann vielmehr von Russland alleine gebaut werden. Die Bundesregierung habe Russlands Präsidenten Wladimir Putin eine unverbindliche Zusage „abgerungen“, dass im Rahmen des Projekts auch die Infrastruktur zum Gastransit durch die Ukraine erneuert werde. So würden der Ukraine wichtige Einnahmen nicht entgehen.
Der ehemalige US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, drohte Ende Dezember 2018 mit Sanktionen. Im Januar 2019 schrieb er mehreren an dem Projekt beteiligten Konzernen einen Brief: „Wir betonen weiterhin, dass Unternehmen, die sich im russischen Energieexport-Sektor engagieren, sich an etwas beteiligen, das mit einem erheblichen Sanktionsrisiko verbunden ist“, zitierte die „Bild am Sonntag“ (BamS) aus dem Schreiben. Grenell behauptete: „Im Ergebnis untergraben Firmen, die den Bau beider Pipelines unterstützen, aktiv die Sicherheit der Ukraine und Europas.“ Ein Sprecher Grenells erklärte gegenüber der BamS, der Brief sei nicht als Drohung aufzufassen, „sondern als klare Botschaft der US-Politik“. Im Auswärtigen Amt seien die Briefe auf Unverständnis gestoßen, Grenells Vorgehen entspräche nicht den diplomatischen Gepflogenheiten. Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, bezeichnete Grennells Sanktionsandrohung als neue und inakzeptable Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und der Europäischen Union: „Es ist etwas, was meines Erachtens den Protest der Bundesregierung hervorrufen sollte. Wir sollten die Amerikaner dazu auffordern, wieder zu dem Verfahren zurückzukehren, wie wir das bisher gehabt haben, nämlich dass wechselseitige Beschwernisse in der Handelspolitik oder der Russland-Politik intern besprochen und ausgeräumt werden und nicht Drohungen gegenüber einzelnen Unternehmen ausgesprochen werden.“ Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte Mitte Januar 2019 mit Bezug auf den Drohbrief Grenells: „Deutschland ist ein Land, in dem Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet sind. Deshalb ist es nicht notwendig, jeden einzelnen Brief zu kommentieren. Aber: Tatsache ist, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist.“ Der Bau von Nord Stream 2 führe im Wesentlichen durch internationale Gewässer, die notwendigen Genehmigungen der nationalen Anrainerstaaten lägen seit langem vor. Das Projekt sei zu einem erheblichen Teil schon verwirklicht. „Die Bundesregierung hat eine Verpflichtung, nicht willkürlich in solche unternehmerischen Projekte einzugreifen“, sagte Altmaier. Gemeinsam mit den US-Botschaftern Carla Sands und Gordon Sondland plädierte Grenell dafür, Nord Stream 2 durch eine Änderung der EU-Gasrichtlinie zu verhindern; Reinhard Bütikofer, Europaabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen, stimmt in der Sache zu, wobei er auch dafür plädierte, die Gasabhängigkeit insgesamt zu reduzieren. Durch die Umsetzung der EU-Gasrichtlinie in nationales Recht machte der Deutsche Bundestag gegen die Stimmen der Grünen im November 2019 den Weg für die in der EU umstrittene Pipeline frei.
Im Dezember 2019 stimmte nach dem Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten auch der US-Kongress für Strafmaßnahmen gegen Unternehmen, die bei der geplanten Fertigstellung von Nord Stream 2 beteiligt sind; betroffen ist dabei die Pipeline-Verlegung in Bereichen ab 100 Fuß (ca. 30½ m) Wassertiefe. So sollen gegen Manager und Hauptaktionäre Einreiseverbote in die USA verhängt oder bestehende Visa widerrufen werden. Transaktionen der Betroffenen, die sich auf ihren Besitz oder ihre geschäftlichen Interessen in den USA beziehen, sollen blockiert werden können. Die PCK-Raffinerie in Schwedt kündigte an, sie werde im Falle der Verabschiedung des US-amerikanischen Sanktionsgesetzes gezwungen sein, den Betrieb zu drosseln oder zeitweise ganz einzustellen. Am 20. Dezember 2019 unterschrieb Präsident Trump das Sanktionsgesetz, es trat damit in Kraft. Unmittelbar vor der Unterzeichnung kündigte die Schweizer Allseas an, ihre Mitwirkung am Bau der Pipeline angesichts der angedrohten Sanktionen bis auf Weiteres auszusetzen. So stellte das eingesetzte Verlegeschiff ab Januar 2020 seine Arbeit ein. Auch die Gaspipeline Turkstream ist von den US-Sanktionen betroffen.
Am 4. Juni 2020 wurde bekannt, dass die US-Senatoren Jeanne Shaheen (Demokraten) und Ted Cruz (Republikaner) zusammen mit drei weiteren ihrer Kollegen Verschärfungen der bereits bestehenden US-Sanktionen planen mit dem Ziel, die Fertigstellung der Pipeline zu verhindern. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ließ daraufhin wissen, dass es „extraterritoriale Sanktionen“ ablehne, da diese völkerrechtswidrig seien. Aus Sicht von Staatsminister im Auswärtigen Amt Niels Annen stellen die US-Sanktionsdrohungen „einen Eingriff in die europäische Souveränität dar, den wir ablehnen“; er kündigte indes zu dem Thema Gespräche mit Washington an. Inzwischen liegt auf einer Werft in Sassnitz ein außer Dienst gestelltes Forschungsschiff, das für die Fortsetzung der Verlegearbeiten umgerüstet wird.
Nach der Vergiftung des Kremlkritikers Alexei Nawalny im August 2020 forderte der Fraktionschef der EVP im Europäischen Parlament, Manfred Weber, im September 2020, dass über die Fertigstellung der Pipeline noch einmal nachgedacht werden müsse, auch, weil Deutschland mit seinem Vorgehen beim Bau der Pipeline bei vielen europäischen Partnern Frust erzeugt hätte. Präsident Trump bekräftigte Anfang September erneut, das Projekt sei zu stoppen. Allerdings legte Trump Ende 2020, wenn auch nicht wegen Nord Stream 2, ein Veto gegen ein Gesetzespaket des US-Repräsentantenhauses ein, mit dem angedrohte Sanktionen gegen Nord Stream 2 ausgeweitet würden. Jedoch wurde dieses Veto vom US-Senat im Januar 2021 mit der nötigen Zweidrittelmehrheit abgewiesen, sodass das Gesetzespaket auch ohne Unterschrift des Präsidenten in Kraft trat.
Im Mai 2021 beschloss die US-Regierung von Joe Biden vorerst auf Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft von Nord Stream 2 zu verzichten und erklärte, dass jener ein Verzicht auf die Strafmaßnahmen „im nationalen Interesse der USA“ sei, da eine Anwendung von Sanktionen „negative Auswirkungen“ auf die Beziehungen der USA zu Deutschland, auf die Beziehung zur Europäischen Union sowie zu weiteren europäischen Verbündeten hätte.
Wirtschaftliche Aspekte
In einer Studie vom Juli 2018 kam das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zu dem Ergebnis, dass die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zur Sicherung der Erdgasversorgung in Deutschland und Europa unnötig und wirtschaftlich unrentabel sei. Zum einen sei der Verbrauch und die Nachfrage nach Erdgas seit Jahren rückgängig. Auch für die Zukunft gingen energiewirtschaftliche Prognosen davon aus, dass die Erdgasnachfrage in Deutschland und Europa weiter sinken werde. Fossiles Erdgas sei kurzfristig der kostengünstigeren Kohle und langfristig den erneuerbaren Energien mit weiterentwickelten Speichertechnologien unterlegen. Wenn die von der Bundesregierung festgelegten Klimaschutzziele erreicht würden, sänke der Erdgasbedarf zwischen 2008 und 2050 um fast 73 %. Zum anderen stünden auf der Angebotsseite eine Vielzahl von Lieferländern und ein gut ausgebautes innereuropäisches Netzwerk von Pipelines zur Verfügung. Die Erdgasversorgung sei so diversifiziert, dass das bestehende Versorgungssystem ohne Nord Stream 2 krisenfest sei und sogar ein vollständiger Wegfall russischer Erdgaslieferungen in Deutschland und in Europa durch andere Bezugsquellen und mehr Effizienz kompensiert werden könne. Hinzu käme, dass nur etwa ein Viertel der bestehenden Importkapazitäten für Flüssigerdgas (LNG) genutzt werde und bei Bedarf das Angebot durch LNG-Einfuhr weiter gesteigert werden könne. Ein Indiz für die fehlende Wirtschaftlichkeit des Pipelineprojekts seien die hohen Durchschnittskosten für den Transport des Erdgases, die sich bei der Nord Stream 2 auf etwa 25 % des Erdgaspreises belaufen und auf dem europäischen Erdgasmarkt kaum durchsetzbar seien. Darüber hinaus müssten wegen der Nord Stream 2 zusätzliche Leitungen wie etwa die Anbindungsleitung EUGAL gebaut werden, deren Kosten in Deutschland pauschal auf die Erdgasverbraucher umgelegt würden. Die Kosten dieser zusätzlichen Leitungen werden auf 500 Millionen Euro geschätzt und müssten von Verbrauchern in Deutschland mitgetragen werden.
Im Mai 2018 veröffentlichte die russische Sberbank eine Analyse, der zufolge Gazprom durch den Bau der Pipeline Nord Stream 2 keinen Gewinn erzielen könne. Den Kosten der Pipeline inklusive der Zuführungsleitung aus dem russischen Erdgasnetz in Höhe von 17 Mrd. US-Dollar plus 2,5 Mrd. US-Dollar Fremdfinanzierung stünden die Ersparnisse aus dem umgangenen Transit durch die Ukraine in Höhe von circa 700 Mio. US-Dollar jährlich gegenüber. Zusätzlich wurde angenommen, dass die deutsche Anbindungsleitung EUGAL erst nach 2020 fertiggestellt sein werde, der Erdgasabsatz in Europa nicht steigt und die Pipeline zu 60 % ausgelastet sein werde. Unter diesen Annahmen ergebe sich für das Projekt ein negativer Barwert in Höhe von sechs Mrd. US-Dollar. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass die Pipeline geopolitischen Interessen dient und Baukonzerne stärken soll, die das heimische Pipelinenetz ausweiten. Mit dem Bau der russischen Zufuhrleitungen für Nord Stream 2 wurde das Bauunternehmen Stroitransgas vom Oligarchen Gennadi Timtschenko beauftragt.
Norwegische Ökonomen zeigten in einer Studie aus dem Jahr 2017, dass der Absatz russischen Erdgases in die EU durch den Bau der Pipeline nur geringfügig gesteigert würde. Zwar würde Deutschland mehr Erdgas aus Russland beziehen, gleichzeitig würde der Export nach Mitteleuropa über die Ukraine sinken. Die Forscher schätzen das Projekt als insgesamt unrentabel ein, weil den geringen zusätzlichen Erlösen sehr hohe Baukosten gegenüberstehen würden.
Umweltaspekte
Die größte Umweltbelastung im Zusammenhang mit der Pipeline resultiert aus dem Verbrauch des beförderten Gases. Eine erhöhte Transportkapazität steht somit im Gegensatz zur angestrebten Dekarbonisierung aus Klimaschutzgründen. Andererseits sollen CO2-effizientere Gaskraftwerke einen Beitrag zum Kohleausstieg leisten. Bei 55 Mrd. Nm3/a je Rohrpaar können CO2-Emissionen von je 110 Mio. t jährlich verursacht werden. Methanverluste bei Förderung und Transport kommen hinzu.
Für die Verdichterstation Portowaja am russischen Anfang von Nord Stream 1 mit einer Gesamtleistung von 366 Megawatt werden bei Nennleistung CO2-Emissionen von etwa 1½ Mio. Tonnen p. a. geschätzt, ohne die zuführenden Gasleitungen in Russland.
Da sich der Druckverlust quadratisch zur Strömungsgeschwindigkeit verhält, könnte mit einer Aufteilung der unveränderten Gastransportmenge von Nord Stream 1 auf alle vier Röhren etwa 3/4 des Pumpaufwands eingespart werden und vermutlich über eine Mio. t CO2-Emission p. a. vermieden werden. Bewertet mit abgezinsten CO2-Schadenskosten von 180 Euro/Tonne würde das nach grobem Überschlag die Amortisation der dritten Röhre nach 20 Jahren ermöglichen. Größere ökologische und wirtschaftliche Relevanz hätte indes ein vermehrter Gastransport als Folge des zweiten Röhrenpaars von Nord Stream 2.
Die Erzeugung von über 2,5 Mio. Tonnen Stahl für die Nord-Stream-2-Röhren führte vermutlich zu rund 4 Mio. Tonnen CO2-Emissionen allein für die Rohstahlerzeugung; ohne die Betonummantelung, die zugehörigen Leitungen an Land und alle weiteren baubedingten Emissionen.
Im Mai 2018 landeten bei Bauarbeiten zu Nord Stream 2 an Stränden des Greifswalder Boddens verklumpte Stücke von Schmierfett an. Ein Nord-Stream-Sprecher betonte, es sei nicht nachgewiesen, dass das Schmierfett von einem Baggerschiff der Nord-Stream-Baustelle stamme, es gebe aber „den starken Verdacht“. Nord Stream sagte zu, die Strände zu reinigen. Das Fett trat in Form von tausenden rosa schimmernden Fettpartikeln von klebriger, kaugummiartiger Konsistenz auf und belastete die Natur. Nord Stream erklärte, die Substanz sei ungefährlich und auf natürliche Weise abbaubar. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hingegen warnte vor Auswirkungen des Stoffes auf das marine Ökosystem; beispielsweise könnten Seevögel die Fettklumpen fressen. Das Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern warnte Strandbesucher vor Hautkontakt mit der Substanz. Der NABU kritisierte, dass die Aufräumarbeiten nicht energisch genug anlaufen würden; das Fett sei wegen der Untätigkeit inzwischen so klein gerieben, dass man nur noch hunderte Meter Strand mit der Schippe abtragen könne. Das Technische Hilfswerk wurde eingesetzt, Nord Stream sagte Hilfe zu, von der laut NABU aber nichts zu sehen war.
Im relativ flachen Wasser des Greifswalder Boddens mussten die Rohre auf den ersten 50 Kilometern eingegraben werden. Bei den dafür notwendigen Baggerarbeiten auf dem Meeresboden wurde das Mineral Phosphorit freigesetzt.
Nord Stream wird auch im Kontext mit möglicher Förderung im Shtokman Erdgasfeld in der Barentssee gesehen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagte im Sommer 2020 beim Oberverwaltungsgericht Greifswald gegen die durch das Bergamt Stralsund erteilte Bau- und Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2. Hintergrund ist ein Rechtsgutachten im Auftrag der Technischen Universität Berlin. Demnach zeigen neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass die Methanemissionen bei der Gasförderung deutlich höher seien als bisher angenommen. Laut der Umwelthilfe wäre die Pipeline angesichts der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht genehmigt worden. Eine weitere Klage durch DUH-Anwälte folgte im April 2021, nun beim Hamburger Verwaltungsgericht, gegen den Weiterbau der verbliebenen 16,5 Kilometer der Pipeline.
Was die Abrüstung und Rüstungskontrolle wie auch Klimakrise betrifft, darf sich die SPD nicht der Illusion hingeben, dass Russland hier mit Deutschland alleine irgendwelche Vereinbarungen trifft. Dies wird nur zusammen mit den anderen europäischen Partnern und den USA im Verbund funktionieren. Die Kritik des, SPD geführten Außenministeriums an Russland, müsste wesentlich deutlicher ausfallen. Hier immer nur auf die Dialogbereitschaft von Russland zu hoffen ist zu wenig und nicht zielführend. Russland war bisweilen an keinem Dialog interessiert. Auch die von meiner Partei geforderten oder angestrebten Visaerleichterungen, sehe ich äußerst kritisch!
Man kann als Partei viel im Bezug auf Menschenrechtsverletzungen, Rechtstaatlichkeit, Freiheit (China, Belarus und Türkei fordern und verurteilen, aber auch dies wird bei diesen Staaten zu nichts führen. Es braucht mehr als diese Verurteilungen, auch hier hilft nur eine gemeinsame Linie mit der EU und den USA! Vorallem sollte die SPD einmal darlegen, wie sie die angesprochenen Länder zum umdenken bewegen will, hier braucht es mer als Verhalten nur zu verurteilen.
Zum Thema Frieden sichern reicht es nicht sich, als Friedenspartei in Deutschland auszurufen und nur auf Diplomatie und Dialog, zivile Krisenprävention, Friedensförderung und Abrüstung und Rüstungskontrolle zu setzen. Hier braucht es auch ganz dringend eine eigene gut Ausgerüstete und motivierte Bundeswehr und vor allem sollte die Finanzierung für Neuanschaffungen, Ersatzbeschaffungen von Ausrüstung und Waffensystemen sichergestellt werden, um die anhaltende Mangelwirtschaft zu beenden! Dazu gehört aber auch aus meiner Sicht das 2 % Ziel einzuhalten und Diskussionen über Ausrüstungen der Bundeswehr nicht 10 Jahre und länger zu führen um diese Auszusitzen.
Wir stehen für den bestmöglichen Schutz unserer Soldat*innen. Dazu gehört auch der Einsatz von Drohnen. Die Entscheidung, ob diese auch bewaffnet werden sollen, kann verantwortbar erst nach einer umfassenden politischen und gesellschaftllichen Debatte und der sorgfältigen Würdigung aller Aspekte getroffen werden.
Über diese Frage wird schon 10 Jahre Diskutiert, die SPD hat nicht den Willen hier eine Entscheidung zu treffen.
Die Entscheidung über ein Nachfolgesystem des Kampfflugzeuges Tornado an die Erörterung der nuklearen Teilhabe zu knüpfen, ist absolut daneben! Wir reden über ca. 85 PA-200 Tornados. Dabei werden die Flugzeuge in unterschiedlichen Varianten und Konfigurationen eingesetzt. Die deutsche Tornado-Flotte setzt sich aus Jagdbombern (IDS für Interdiction Strike) und den Tornados für den elektronischen Kampf (ECR für Electronic Combat and Reconnaissance) zusammen. Alle Tornados können zudem zur optischen und Infrarot-Aufklärung ausgerüstet werden. Die Luftwaffe braucht unabhängig von der nuklearen Teilhabe dringend bis 2030 eine Entscheidung welches Flugzeug den Tornado ersetzen soll. Auch hier ist die Argumentation der SPD sehr dünn und ist einer Volkspartei wie der SPD unwürdig.
Mann muss sich nur einmal den Aufwand und vor allem die Kosten betrachten, die nötig sind um die verbliebenen 85 von 359 Tornados weiterhin mit einer Flugerlaubnis ausstatten zu können. Viele Maschinen werden nach ca. 5.400 Flugstunden bzw. ca. 2.000 Belastungsstunden an ihre maximale Lebensdauer kommen. Hierzu ein interessanter Einblick: Verlängerte Lebenszeit: Tornado hebt wieder ab.
Das ist Verteidigungspolitik nicht im Sinne unserer Soldaten und Steuerverschwendung!
Die im Parteiprogramm enthaltene Teil zum Thema Verteidigungspolitik und Außenpolitik ist erschreckend kurz und vollkommen uninspiriert und teilweise naiv.
Die Friedenspolitischen Herausforderungen nehmen zu. Gesundheitskrise, Klimawandel und Ungerechtigkeit verschärfen bestehende Konflikte und entfachen neue. Autonome Waffensysteme senken die Schwelle für kriegerische Handlungen, Kernwaffen erleben ein Comback, digitaler Fortschritt macht uns verwundbar für Cyberangriffe. Dafür werden wir auf parlamentarischer Ebene einen Mechanismus einrichten, durch den neue Programme, Gesetze, Vorhaben daraufhin überprüft werden, ob sie friedenspolitischen Zielen widersprechen.
Wie soll dieser Mechanismus aussehen? Man sollte in einem Parteiprogramm auch gleich die Idee mitliefern, erst dann kann sich jeder eine Vorstellung machen, wie dieser angesprochene Mechanismus funktioniert.
Eine Welt ohne Atomwaffen ist und bleibt das Ziel sozialdemokratischer Außenpolitik. Zu einer abrüstungspolitischen Offensive gehört, dass bestehende Vereinbarungen über Rüstungskontrolle und Abrüstung unbedingt gerettet sowie Verpflichtungen aus dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) umgesetzt werden.
Auch hier gilt, das wird nur Gesamteuropäisch möglich sein. Deutschland allein, hat hier zu wenig Gewicht! Die Sichtweise der SPD ist hier nur auf Russland und Iran beschränkt. Was ist mit China und Nordkorea? Und glaubt die SPD ernsthaft, dass China dazu überhaupt bereit ist? Hier sind doch erhebliche Zweifel angebracht.
Ich persönlich bin, was die Sicherheitspolitik betrifft, ganz auf der Linie von Fritz Felgentreu, dem ehemaligem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD. Wie viele andere Sozialdemokraten erinnert auch Felgentreu an die Abrüstungspolitik unter dem damaligen SPD-Bundeskanzler Willy Brandt, die wesentlich zum Ende der Blockkonfration im Kalten Krieg führte – aber er zieht daraus andere Schlüsse als viele Genossen! Lohnenswert zu lesen!!!
Quellen: Wikipedia, Wahlprogramm SPD.